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Alicia
Ich war Bäuerin. Bis ich 18 war, habe ich in der Landwirtschaft gearbeitet. Mit 7, 8 Jahren hat man angefangen, auf dem Feld zu arbeiten, auch als Kind. Dann haben wir zur Industrie gewechselt, wir haben aufgehört, die Erde zu bearbeiten. Und ich habe angefangen, in einer Feinspinnerei zu arbeiten. 48 gab es hier noch keine Feinspinnereien, die Meisterinnen sind aus dem Veneto gekommen, um uns zu unterrichten. Alles wurde eingerichtet, um feine Stoffe zu machen, denn hier gab es nur "filature cardate" - im Gegensatz zu "filatura pettinata".
Und da bin ich bis 53 geblieben. Dann hat die Fabrik dicht gemacht und ich habe angefangen, Stoffe zu "stopfen" - rammendare.

Iolanda
Mein Vater hatte drei Töchter. Also musste ich auf dem Feld arbeiten. Vormittags bin ich in die Schule gegangen und nachmittags aufs Feld, mit der Hacke, um die Erde zu bearbeiten. Manches Mal war die Erde hart und trocken, sie ließ sich nicht aufbrechen, also: Hack! Hack! Gibs ihr! bis sie umgepflügt war.
Dann kam die Ernte, die Trauben wurden geerntet, man musste sie auf die Schulter nehmen, ...20 Meter..., es gab die Tiere, um sie bis zu den Kühen zu tragen.
Ich hatte ein hartes Leben, ich habe so viel gearbeitet.
Der Sonntag wurde auch nicht geachtet. Denn wenn das Korn geschnitten werden musste, kam der Vater um 5 Uhr früh: "Aufstehen, das Korn muss geschnitten werden!" Denn wenn die Sonne kam, fielen die Körner auf den Boden. Mit der Sonne öffnen sie sich und fallen auf die Erde. Um 5 Uhr aufstehen, aufs Feld, mittags nach Hause und nachmittags wieder zurück aufs Feld.

Teresa
In unserer Familie waren wir zu elft, neun Kinder und Mama und Papa. Dann ist meine Mutter krank geworden und mit 44 Jahren gestorben. Wir waren 9 Geschwister, ich war die Älteste und die Jüngste war 2 Jahre alt. Und dann, mit 20 war ich schon verlobt. Mein Mann arbeite schon hier oben, auch er kam aus Alta Mura. Und deswegen, er war Maurer, und hier unten gab es keine Arbeit, sagte er, komm auch du. Aber ich dachte an alle meine kleinen Geschwister; sie dort zu lassen, meine Schwester war 18, und eine Familie mit 10 Personen ihr alleine auf die Schultern zu laden, das konnte ich mir nicht vorstellen. Dann hat meine Schwiegermutter gesagt: Du musst nach oben (in den Norden) gehen und mein Vater hat gesagt, "Na gut, o.k., dann geh." Vaiano war gar nichts, drei Häuser gab es. Ich, die ich aus einer Stadt kam, Alta Mura war eine Stadt und ich eine Städterin, dann hier anzukommen, ich habe so viel geweint. Nach 10 Monaten hatte ich ein Kind. Meine Mutter war nicht mehr, meine Geschwister zu klein, und ich ... ich wusste so viele Sachen nicht, also habe ich angefangen die Stoffe zu flicken, ich habe alle Tage gearbeitet. Mit dem einem Fuß habe ich das Kind gewiegt und mit dem anderen gearbeitet.

Alicia
Ich habe die Firma, für die ich gearbeitet habe, gefragt, ob sie mich auch, wenn ich zuhause arbeite, versichern könnten, weil, in der Heimarbeit gab es keine Versicherung, nichts, also sagte ich dieser Firma, versichert auch mich, und sie haben es gemacht. Und dann wollten auch andere Frauen aus Vaiano diese Arbeit machen, ich war oben aus Suppiniano, da habe ich also auch für sie nach diesen Stoffstücken zum Stopfen gefragt. Und sie haben sie gegeben und alle versichert. Alle Frauen hatten schon gearbeitet als sie noch sehr jung waren und so sind sie wieder eingestiegen, aber auf gesetzlicher Basis. Ich habe bis ich in Rente gegangen bin, gestopft.

Teresa
Die Webstühle, die die Stoffe weben, sind elektrisch. Also kann man sie nicht anhalten, wenn ein Faden reisst, oder wenn es Schlaufen gibt. Wenn sie dann bei der Endfertigung, der Rifinizione, ankommen, wenn man den Knoten aufmacht, entsteht ein Loch, also muss man aufpassen, .... und den Faden wieder einweben. Manchmal gab es Muster, da musste man auch aufpassen, dass man die richtigen Farben benutzte. Dann musste man die Stoffe in die Rifinizione bringen, wo sie gewaschen wurden und wenn sie fertig waren in die Fabrik bringen. Und da wurde man bezahlt, aber zu der Zeit, ha,ha... Je schneller man fertig war, desto besser war die Bezahlung. Es gab so viel Arbeit zu tun - zu dieser Zeit, 1955 - einen Stoff von 40 Metern durchzuarbeiten, für einen Stoff mit so vielen Knoten haben sie dir 900 Lire gegeben. Machmal brauchte man dafür einen Tag, machmal zwei, das kam darauf an, wie viel es zu tun gab. (also auf die Menge der Fehler)

Anna
Ich habe mit dem Stoff hier gearbeitet, mit gröberem und feinerem Stoff. Dann habe ich am "Orditoio", einer großen Maschine, die Spindeln gewechselt. Das wurde verwebt und die Stoffe gemacht. Solche wie diese hier, so viele Stoffe. Das ist die Arbeit, die ich gemacht habe. Dann war ich in der Rifinizione. Denn mit diesem Faden waren die Stoffe noch roh, sie mussten verfeinert werden. Das machten diese Maschinen, aus ihnen kamen dann die Stoffe fertig um damit zu nähen.

Carla, la Sarta
Ich habe angefangen, weil meine Mama Schneiderin war, und es hat mir immer Spaß gemacht. Ich habe die Grundschule gemacht, aber ich wollte nicht studieren, also hat man mich auf die Schneiderschule geschickt, die 4 Jahre gedauert hat. Ich habe die Schneiderschule, meinen Abschluss gemacht und habe währenddessen immer weiter mit der Mama genäht. Ich habe immer mit meiner Mutter zuhause gearbeitet, es gab dafür ein extra Zimmer, wo gearbeitet wurde. Sie hat mir seit ich klein war, praktisch alles beigebracht, Einfädeln, ..., alle diese ersten Sachen, aber es hat mir immer Spaß gemacht, auch die Schneiderschule.

Iolanda
Ich bin in Creve Chianti geboren. Dort gibt es keine Industrie, also mussten wir aufs Feld gehen. Also, mein Mann sagte: Sehen wir mal, ob wir nach Prato gehen können, er hatte dort einen Freund und sagte zu ihm: Kannst du mir nicht eine Stelle finden, sagt er, in einer Fabrik? Also, und ich, ich wusste nicht, was ich machen sollte, denn ich war nie in einer Fabrik gewesen. Also, da war der Capo, dieser, der befiehlt, und mein Mann sagte: Sieh mal, da ist meine Frau, sie möchte auch in die Fabrik kommen. Und was hat sie für eine Arbeit gemacht? Sie ist Bäuerin, ha, ha... Er sagt zu meinem Mann "Proba ti! - Versuch dich" Ich wusste nicht. Da waren zum Beispiel Lumpen, die waren durcheinander, das waren alles neue Sachen, man musste Nylon, Viskose, Seide und Wolle auseinanderhalten können. Der Direktor sagte zu mir: Pass auf Iolanda, ich zeige es dir, denn es sollten 20 Häufchen gemacht werden, alle voneinander verschieden. Ich schaffe es nicht! Aber warum nicht? Du schaffst es, sagte er. Und es ist mir gelungen. So habe auch ich dort bis zur Rente gearbeitet.

Alicia
Ich habe 38 Jahre gearbeitet. Und was mache ich jetzt? Es gab eine Gruppe von Frauen, die haben zusammen Stoffe geflickt. Und da kam es zu dieser Idee. In Prato, in der Gewerkschaft gab es eine Frau, weil die Frauen für diese Dinge sensibler sind als die Männer, das war Anna Fondi, die ein bisschen unsere Mama ist in dieser Sache, sie war auch Ratsmitglied in der Gemeinde von Prato. Ich sagte also zu ihr: Ich habe eine Garage, die nehmen wir, wenn man etwas macht, tut man seinem Nächsten nichts Schlechtes. Später hat die Farmacia von Vaiano dieses Gebäude bei einer Versteigerung gekauft. Ich wollte erst nicht, weil es mir leid tat wegen der Pleite, aber auf der anderen Seite, was soll man machen? Sie wollten uns hier rein haben. Und von hier aus sind wir gewachsen, ohne dass wir etwas dafür getan hätten. Die Industriellen haben geholfen, Stoff zu geben. Der Industrieverband hat einmal einen Brief an alle Industriellen von Prato geschickt, dass, wer Sachen an die Sartoria schicken will, denn das ist eine Einrichtung, die beachtet zu werden verdient, sollte sie an den Industrieverband geben, der alles sammelt und weitergibt. Alle haben immer etwas gegeben, denn hier nimmt niemand etwas für sich, alles, was hier ankommt, geben wir weiter für nichts. Und so ist es vorwärts gegangen, sind wir gewachsen, sogar etwas zu sehr.

Teresa
Mein Mann ist 85 gestorben. Und ich wollte etwas machen und so habe ich 30 Jahre  ehrenamtlich in der Pizzeria der Misericordia gearbeitet. Ich war allein, was sollte ich zu Hause machen? Ich war schon in Rente, mit 56 war ich schon pensioniert.... Mein Mann war schon drei Jahre tot und ich fragte mich, was  soll ich alleine zu Hause? Das Haus ist zwar meins, aber ich war allein. Aber da hat mich Alicia aufgenommen. Ich war schon 20 Jahre hierher gekommen, aber nur, wenn ich Zeit hatte. Ich habe immer gearbeitet, seit ich 10 war. Mit 10 Jahren habe ich Früchte auf dem Markt verkauft.

Alicia
Unsere erste Sendung war für Indien, so viele Kleider! Man muss sicher sein, wo die Sachen hingehen. Um sie zu machen, kann man improvisieren, aber dann wenn man sie schickt nicht, man weiss ja.. Es gibt die Charitas, oder unser Verein, oder Missionare, die da sind und Bescheid wissen, denn dafür muss man auf Nummer Sicher gehen. Wer will ein Mittagessen für Matto Grosso machen? Sehen Sie, diese Kinderpullover, die sind von den Omis der Sartoria für Bolivien gemacht worden. Diese Decken hier sind für Indien, sonst würden wir sie nach Matto Grosso schicken, aber weil die Omis zu niemandem Nein sagen wollen, gehen sie jetzt also nach Indien. Ein Arzt, der hier vorbeigekommen ist, hat gesagt, nein, das war  ein Soziologe, hat gesagt: Es scheint unmöglich, aber es ist so, die Menschen, die an Lepra leiden, die Armen! erfrieren auf der Straße vor Kälte, also können sie die Decken gebrauchen. Und wir machen auch Hemden. Diese Frauen sind fleissig, sie kommen nicht hierher, um nichts zu machen, auch wenn sie alte Omis sind, die Alten sind die aktivsten. Auch für Burkina Faso haben wir drei Esel gekauft, und dann haben wir noch die Kamelweibchen, die den Kindern in der Wüste Milch geben, und für ein Mädchen in Vicenza, das an einer seltenen genetischen Krankheit leidet, verkaufen wir jedes Jahr zu Karneval Krapfen, "Ciambelline", und dann schicken wir Sachen zum Verkaufen und so sammeln wir Geld und schicken es dem Mädchen in Vicenza.


Iolanda
Jetzt bin ich in Rente, ich habe meinen Mann verloren, er ist seit 7 Jahren tot. Das ist ein Unglück, aber es geht auch so weiter. Jetzt bin ich alleine, deswegen, am Vormittag erledige ich meine Sachen, aber dann am Nachmittag, was soll ich zuhause machen? Also sagte meine Freundin zu mir: "Warum kommst du nicht in die Sartoria?" Aber ich habe gesagt: "Ich bin nie da gewesen. Da pass' ich doch nicht hin." - "Komm mit mir!" Und so hat sie mich mitgebracht. Sie kommt schon lange her und sagte zu Alicia: "Sieh mal, diese Signora möchte gerne kommen." Darauf Alicia: "Hier sind wir alle Chefinnen, hier kann jeder herkommen, der will, alle können kommen." Und tatsächlich bin ich gekommen, jetzt ist es schon ein gutes Jahr, dass ich komme; Alicia ist zufrieden. Ich komme hier an und frage: "Alicia, was gibt es zu tun?"- "Guck mal, man kann fegen, hier kann man einen Knopf annähen", kurz und gut, ich helfe ein wenig, für den guten Zweck.

Rossana
Als ich in Rente war, bin ich meiner lieben Freundin Carla gefolgt. Sie kam hierher und so bin ich auch gekommen. Und hier habe ich mich tatsächlich wohl gefühlt. Ich bin ein ängstlicher Typ, ich hatte Panikattacken, war sehr nervös und war immer in Behandlung. Aber hierherzukommen hat die Situation gelöst. Auch der Arzt hat gesagt: Nicht alleine sein, sich nicht isolieren, nicht stundenlang vor dem Fernseher sitzen; hierherzukommen ist tatsächlich gut für mich.

Alicia
In Firenze war der Chef von UNICEF. Es gab dieses Projekt mit den Puppen. Also sind wir eines Morgens dorthin gekommen, und er hat uns eine Puppe gezeigt. Und wir haben gesagt, dass uns dieses Projekt zusagt und sofort hat eine von uns angefangen, eine Puppe zu machen. Die ersten waren häßlich. Aber ich weiss jetzt gar nicht, wie viele wir im ersten Jahr gemacht haben. 9 Mio, das waren die alten Lire, 1999 war das, Anfang 2000: 9 Mio 500 Tausend Lire für die Puppen. An einem Tag, zwischen drei und sechs haben wir alle verkauft. Hier war alles voller Puppen, die Leute warteten, um welche zu kaufen, aber um sechs war keine mehr da. Die Leute kamen sogar zu mir nach Hause für die Puppen. "Aber es gibt keine mehr!" In diesem Jahr haben wir 3150 Euro gemacht, im Jahr davor 4500 und etwas Euro... Das sind "soldini", für UNICEF machen wir nur die Puppen, das ist alles.

Rossana
Wir sind hier ein Grüppchen, das sich gut versteht, wir sind gerne zusammen, so geht es ein bisschen vorwärts. Nun, es gibt die Comandante, die bringt mich manchmal an die Schwelle, aber da gibt es nichts, alles ist in Ordnung. Wir sind in der Küche, hier und dort, kurz gesagt, wir machen alles. Alle machen alles, in allen Ecken.
In der Zeit, in der du hier bist, manchmal kannst du eine Dummheit sagen, man kann lachen, nun, nicht alle Tage sind gleich, wenn das so wäre, wären wir alle Marionetten, aber du verbringst den Tag, dann gehst du nach Hause, mit einem anderen Blick, einem anderen Gedanken.

Alicia
Wie macht man das? Man muss auch den Mund halten können. Machmal muss man meckern , knurren, brummen, machmal den Mund halten, und so oft muss ich sagen: Hier kommandiere ich, dies ist mein Haus, und dann beruhigen sich alle.
Ein Kissen war schlecht gefüllt worden. Heute sage ich nichts, aber morgen lasse ich es sie  wieder aufmachen. Sieh mal, wenn du ein Kissen kaufst, und drinnen findest du die Wolle weit auseinander gezogen... , das geht nicht. Wenn ich schimpfe, geht es um solche Sachen, um nichts anderes. Denn, wenn du für ein Kissen 5 oder 10 Euro gibst...  Wir machen sie nicht so schön, wie der Polsterer. Wissen sie warum? Aber zeichnen Sie das nicht auf, oder löschen Sie es! Einmal habe ich den Polsterer auf der Treppe meines Hauses getroffen, er trug Kissen, und ich sagte mir, wenn wir Kissen verkaufen, dann verliert auch noch der Polsterer seine Arbeit. Wir könnten sie auch viel schöner machen, als wir das jetzt tun, aber wir machen sie einfach, denn die schönen soll der Polsterer machen!

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Eine Verbraucherkooperative in der Toskana

La sartoria delle nonne